Visual Culture / Visual Studies: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 2. April 2014, 16:04 Uhr
Unterpunkt zu: Bildtheoretische Ansätze
Begriffe: »visual culture«, »visual studies« (und »visual culture studies«)Visual Culture und Visual Studies sind in vielen Hinsichten umstritten. Ein erster Beleg dafür findet sich bereits in den zugrunde liegenden Begriffen. »Visual culture«, »visual studies« und auch »visual culture studies« können einander teilweise, aber eben nur teilweise vertreten. Der am meisten verwendete, aber ein zugleich auch zweideutiger Begriff ist »visual culture«. So heißt es anlässlich des Visual Culture Questionnaire, mit dem die Kunstzeitschrift «October» 1996 zur Reflexion über das Thema einlud: „‘Visual culture’ does double service: it is both a partial description of a social world mediated by commodity images and visual technologies, and an academic rubric for interdisciplinary convergences among art history, film theory, media analysis and cultural studies“ ([Foster & Krauss 1996a]Foster, Hal & Krauss, Rosalind (1996).Introduction. In October (MIT Press Journal), 77, 3-4. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 3). Demnach trifft auf ‘visual culture’ Ähnliches zu wie auf das deutsche ‘Kunstgeschichte’, das sowohl das Objekt als auch die Disziplin bezeichnet. Diese – in der Regel durch den Kontext disambiguierte – Zweideutigkeit ist bis in die jüngsten Schriften anzutreffen.[1] Getting the Warhol We Deserve. Cultural Studies and Queer Culture. In In()visible Culture. An Electronic Journal for Visual Studies, 1, 1. Eintrag in Sammlung zeigen ⊳ [1]). John A. Walker und Sarah Chaplin verwenden eine analoge Unterscheidung, sprechen sich jedoch anstatt für die Bezeichnung ‘visual studies’ für ‘visual culture studies’ aus ([Walker & Chaplin 1997a]Walker, John A. & Chaplin, Sarah (1997). Visual Culture. An Introduction. Manchester, New York: Manchester University Press. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 1).[2] Visual Studies. A Skeptical Introduction. New York, London: Routledge. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 7), wird im Folgenden ‘visual culture’ für das Objekt der Untersuchung und ‘visual studies’ für den wissenschaftlichen Zugriff auf dieses Objekt verwendet. Ausnahmen finden sich allein in den wörtlichen Zitaten aus anderen Texten#. Disziplin, Interdisziplinarität, “Undiszipliniertheit”Ebenfalls umstritten ist, ob und inwiefern es sich bei Visual Studies um eine Disziplin handelt. Die Frage wird selten bejaht und wenn, dann ist von Disziplin in einem eher schwachen Sinn die Rede. Gemeint ist damit zumeist, dass es seit den 1990er Jahren zunächst im englischsprachigen Raum manifeste Formen der pädagogischen, wissenschaftlichen und publizistischen Institutionalisierung gibt, also Aufnahmen in universitäre Curricula, einschlägige Konferenzen und Veröffentlichungen bis hin zu spezifischen Zeitschriften. Darüber hinaus lassen sich auch Vorschläge zu weitergehenden Festlegungen inhaltlicher und methodischer Art finden, etwa in Bezug auf Grundlagentexte, kanonische Autoren, bevorzugte Objekte und Interpretationsmethoden – dazu später mehr. Auch weil diese eher diskutiert als geteilt werden, hat es sich eingebürgert, die Visual Studies statt als Disziplin vor allem als (akademisches) Feld anzusprechen.[3] Ferner sind die Visual Studies wie schon die älteren Cultural Studies auch als „diskursive Formation“ apostrophiert worden[4] und als (nicht nur akademische, sondern auch politische) Bewegung (vgl. [Bal 2003a]Bal, Mieke (2003).Visual Essentialism and the Object of Visual Culture. In Journal of Visual Culture, 1, 2, 5-32. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 5f.). Visual Studies. A Skeptical Introduction. New York, London: Routledge. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 25) bis zu insgesamt 34 verschiedenen, nämlich: „aesthetics, anthropology, archaeology, architectural history/theory, art criticism, art history, black studies, critical theory, cultural studies, deconstruction, design history, feminism, film studies/theory, heritage studies, linguistics, literary criticism, marxism, media studies, phenomenology, philosophy, photographic studies, political economy, post-colonial studies, post-structuralism, proxemics, psychoanalysis, psychology of perception, queer theory, reception theory, russian formalism, semiotics, social history, sociology, structuralism“ ([Walker & Chaplin 1997a]Walker, John A. & Chaplin, Sarah (1997). Visual Culture. An Introduction. Manchester, New York: Manchester University Press. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 22). Nicht zuletzt in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Visual Studies zunehmend den Naturwissenschaften öffnen, kann jedoch auch diese Liste nicht erschöpfend sein. Introduction. Conceiving the Intersection of Feminism and Visual Culture. In The Feminism and Visual Culture Reader, 1-7. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 34). Vorgeschichte/nAufgrund der Vielzahl der beteiligten Disziplinen verfügt das Feld oder die Bewegung der Visual Studies über keine homogene Vorgeschichte. Es lassen sich dennoch mindestens drei Vorgeschichten anführen, die für die Entwicklung der Visual Studies relevant gewesen sind: die Geschichte des Begriffs „visual culture“ (sic!), ältere Transgressionen der Kunstgeschichte sowie schließlich die Cultural Studies. ResteDer akademische Bereich der "visual studies" oder "visual culture studies" hat sich als Ableger der älteren "cultural studies" vor allem im angelsäsischen Bereich entwickelt und trotz seiner Unübersichtlichkeit erfolgreich etabliert. James Elkins spricht etwa als zentraler Vertreter der "visual studies" 2003 vom “labyrinth of journals” zum Thema ([Elkins 2003a]Elkins, James (2003).Visual Studies. A Skeptical Introduction. New York, London: Routledge. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 14). – Liste zu ergänzten um Kartographie, Informatik, cognitive sciences usw. Differenz zum Deutschen – erstmaliger Gebrauch der Bezeichung „visuelle Kultur“ bei Béla Balázs 1923 ([Balázs 2001b]Balázs, Béla (2001). Der sichtbare Mensch. In Texte zur Theorie des Films, 224-233. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 225) – vergleichbare Verfahren/Prototypisches bei Panofsky, Warburg, Baxandall usw. - notorisches Problem, visual studies zu definieren/zu begrenzen – typische Reaktion etwa: „The visual, in our view, never comes ‚pure’, it is always ‚contaminated‘ by the work of other senses (hearing, touch, smell), touched by other text and discourses, and imbricated in a whole series of apparatuses […]“ ([Shohat & Stam 1998a]Shohat, E. & Stam R. (1998). Narrativizing Visual Culture. Towards a Polycentric Aesthetics. In The Visual Culture Reader, 26-49. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 45) – am Besten im Allgemeinen sowohl Gegenstand als auch Methode als hybride zu beschreiben – bekannt etwa aus der Gegenstandsbestimmung der cultural studies, dort auch zwei Kulturbegriffe - anschlussfähig auch in Bezug auf Multimodalität - Spektrum der Gegenstände von “anything that can imprint itself on the retina” (Martin Jay) bis zu “the study of colorless, nonvisual discursive and systemic formations and their historical mutations” ( Jonathan Crary) (vgl. [VCQ 1996a] (1996). Visual Culture Questionnaire. In October, 77, 25-70. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 34, 42) – soziale und historische Bedingungen, die regeln, was wir sehen oder zu sehen bekommen – apparativ und sozial aufgerüstetes Sehen als Praxis (ärztlicher Blick, Überwachung im Anschluß an Foucault) – epochenspezifische Wahrnehmung im Anschluß an das “period eye” ([Baxandall 1972a]Baxandall, Michael (1972). Painting and Experience in Fifteenth Century Italy. A Primer in the Social History of Pictorial Style. Oxford: Clarendon Press. Eintrag in Sammlung zeigen: S: 29-108) - “Most images are not art.” ([Elkins 2003a]Elkins, James (2003). Visual Studies. A Skeptical Introduction. New York, London: Routledge. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 3) – zwar Interesse an reflexiver bildender Kunst, aber deutliche Ausweitung des klassischen Gegenstandsbereiches der Kunstgeschichte, teilweise Anleihen bei Medien- und Filmwissenschaft – im Stile der cultural studies keine ausschließliche Berücksichtigung von ausgezeichneten Artefakten, sondern auch von alltäglicher Praxis wie Fernsehkonsum von Serien und Medienereignissen (Tod von Lady Di, 11. September, Who will be a Millionaire)– „global visual culture“ durch „media convergence“ vom Fernseher über den Computer bis zum Handy (vgl. [Sturken & Cartwright 2001a]Sturken, M. & Cartwright L. (2001). Practices of Looking. An Introduction to Visual Culture. Oxford, New York: Oxford University Press. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 344)
Siehe auch:
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Anmerkungen
[Bal 2003a]: Bal, Mieke (2003). Visual Essentialism and the Object of Visual Culture. Journal of Visual Culture, Band: 1, Nummer: 2, S. 5-32.
[Balázs 2001b]: Balázs, Béla (2001). Der sichtbare Mensch. In: Albersmeier, F.-J. (Hg.): Texte zur Theorie des Films. Stuttgart: Philip Reclam jun., S. 224-233. [Baxandall 1972a]: Baxandall, Michael (1972). Painting and Experience in Fifteenth Century Italy. A Primer in the Social History of Pictorial Style. Oxford: Clarendon Press. [Crimp 1998a]: Crimp, Douglas (1998). Getting the Warhol We Deserve. Cultural Studies and Queer Culture. In()visible Culture. An Electronic Journal for Visual Studies, Band: 1, Nummer: 1. [Elkins 2003a]: Elkins, James (2003). Visual Studies. A Skeptical Introduction. New York, London: Routledge. [Foster & Krauss 1996a]: Foster, Hal & Krauss, Rosalind (1996). Introduction. October (MIT Press Journal), Band: 77, S. 3-4. [Hall 1992a]: Hall, Stuart (1992). Cultural Studies and its Theoretical Legacies. In: Grossberg, L. & Nelson, C. & Treichler, P. (Hg.): Cultural Studies. New York, London: Routledge, S. 277-294. [Jones 2003a]: Jones, Amelia (2003). Introduction. Conceiving the Intersection of Feminism and Visual Culture. In: Jones, A. (Hg.): The Feminism and Visual Culture Reader. New York: Routledge, S. 1-7. [Mirzoeff 1999a]: Mirzoeff, Nicholas (1999). An Introduction to Visual Culture. London, New York: Routledge. [Mitchell 2008a]: Mitchell, William J. Thomas (2008). Bildtheorie. Frankfurt/M.: Suhrkamp. [Morra & Smith 2006a]: Morra, Joanne & Smith, Marquard (2006). Introduction. In: Morra, J. & Smith, M. (Hg.): Visual Culture. Critical Concepts in Media and Cultural Studies. Bd. 1. What is Visual Culture Studies. London, New York: Routledge, S. 1-18. [Shohat & Stam 1998a]: Shohat, E. & Stam R. (1998). Narrativizing Visual Culture. Towards a Polycentric Aesthetics. In: Mirzoeff, N. (Hg.): The Visual Culture Reader. London, New York: Routledge, S. 26-49. [Sturken & Cartwright 2001a]: Sturken, M. & Cartwright L. (2001). Practices of Looking. An Introduction to Visual Culture. Oxford, New York: Oxford University Press. [VCQ 1996a]: (1996). Visual Culture Questionnaire. October, Band: 77, S. 25-70. [Walker & Chaplin 1997a]: Walker, John A. & Chaplin, Sarah (1997). Visual Culture. An Introduction. Manchester, New York: Manchester University Press. Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Dimitri Liebsch [195], Joerg R.J. Schirra [24], Franziska Kurz [18] und Klaus Sachs-Hombach [3] — (Hinweis) |