Visual Culture / Visual Studies: Unterschied zwischen den Versionen
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− | :''What is visual culture or visual studies? Is it an emergent discipline, a passing moment of interdisciplinary turbulence, a research topic, a field or subfield of cultural studies, media studies, rhetoric and communication, art history, or aesthetics? Does it have a specific object of research, or is it a grab-bag of problem left-over from respectable, well established disciplines? Is it a field, what are its boundaries and limiting definitions? Should it be institutionalized as an academic structure, made into a department or given programmatic status, with all the appurtenances of syllabi, textbooks, prerequisites, requirements, and degrees? How should it be taught? What would it mean to profess visual culture in a way that is more than improvisatory?'' (William James Thomas Mitchell; zit. nach <bib id='Morra & Smith 2006a'></bib>: S. 8.) | + | :''What is visual culture or visual studies? Is it an emergent discipline, a passing moment of interdisciplinary turbulence, a research topic, a field or subfield of cultural studies, media studies, rhetoric and communication, art history, or aesthetics? Does it have a specific object of research, or is it a grab-bag of problem left-over from respectable, well established disciplines? Is it a field, what are its boundaries and limiting definitions? Should it be institutionalized as an academic structure, made into a department or given programmatic status, with all the appurtenances of syllabi, textbooks, prerequisites, requirements, and degrees? How should it be taught? What would it mean to profess visual culture in a way that is more than improvisatory?'' (William James Thomas Mitchell; zit. nach <bib id='Morra & Smith 2006a'></bib>: S. 8.) |
=====Begriffe: »visual culture«, »visual studies« (und »visual culture studies«)===== | =====Begriffe: »visual culture«, »visual studies« (und »visual culture studies«)===== |
Version vom 16. August 2014, 03:46 Uhr
Unterpunkt zu: Bildtheoretische Ansätze
Begriffe: »visual culture«, »visual studies« (und »visual culture studies«)Visual Culture und Visual Studies sind in vielen Hinsichten umstritten. Ein erste Hinsicht kristallisiert sich bereits an den zugrunde liegenden Begriffen. »Visual culture«, »visual studies« und auch »visual culture studies« können einander teilweise, aber eben nur teilweise vertreten. Der am meisten verwendete, aber ein zugleich auch zweideutiger Begriff ist »visual culture«. So heißt es anlässlich des Visual Culture Questionnaire, mit dem die Kunstzeitschrift «October» 1996 zur Reflexion über das Thema einlud: „‘Visual culture’ does double service: it is both a partial description of a social world mediated by commodity images and visual technologies, and an academic rubric for interdisciplinary convergences among art history, film theory, media analysis and cultural studies“ ([Foster & Krauss 1996a]Foster, H. & Krauss, R. (1996).Introduction. In October, 77, 3-4. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 3). Demnach trifft auf ‘visual culture’ Ähnliches zu wie auf das deutsche ‘Kunstgeschichte’, das sowohl das Objekt als auch die Disziplin bezeichnet. Diese – in der Regel durch den Kontext disambiguierte – Zweideutigkeit ist bis in die jüngsten Schriften anzutreffen. Daneben haben sich Redeweisen etabliert, die um terminologische Eindeutigkeit bemüht sind. Douglas Crimp empfiehlt beispielsweise: „For purposes of clarification, we might say that visual culture is the object of study in visual studies“ ([Crimp 1998a]Literaturangabe fehlt. Visual Studies. A Skeptical Introduction. New York, London: Routledge. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 7), wird im Folgenden ‘visual culture’ für das Objekt der Untersuchung und ‘visual studies’ für den wissenschaftlichen Zugriff auf dieses Objekt verwendet. Ausnahmen finden sich allein in den wörtlichen Zitaten aus anderen Texten#. Disziplin, Interdisziplinarität, “Undiszipliniertheit”Ebenfalls umstritten ist, ob und inwiefern es sich bei Visual Studies um eine Disziplin handelt. Die Frage wird selten bejaht und wenn, dann ist von Disziplin in einem eher schwachen Sinn die Rede. Gemeint ist damit zumeist, dass es seit den 1990er Jahren zunächst im englischsprachigen Raum manifeste Formen der pädagogischen, wissenschaftlichen und publizistischen Institutionalisierung gibt, also Aufnahmen in universitäre Curricula, einschlägige Konferenzen und Veröffentlichungen bis hin zu spezifischen Zeitschriften. Darüber hinaus lassen sich auch Vorschläge zu weitergehenden Festlegungen inhaltlicher und methodischer Art finden, etwa in Bezug auf Grundlagentexte, kanonische Autoren, bevorzugte Objekte und Interpretationsmethoden – dazu später mehr. Auch weil diese eher diskutiert als geteilt werden, hat es sich eingebürgert, die Visual Studies statt als Disziplin vor allem als (akademisches) Feld anzusprechen.[2] Ferner sind die Visual Studies wie schon die älteren Cultural Studies auch als „diskursive Formation“ apostrophiert worden[3] und als (nicht nur akademische, sondern auch politische) Bewegung (vgl. [Bal 2003a]Literaturangabe fehlt. Visual Studies. A Skeptical Introduction. New York, London: Routledge. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 25) bis zu insgesamt 34 verschiedenen, nämlich: „aesthetics, anthropology, archaeology, architectural history/theory, art criticism, art history, black studies, critical theory, cultural studies, deconstruction, design history, feminism, film studies/theory, heritage studies, linguistics, literary criticism, marxism, media studies, phenomenology, philosophy, photographic studies, political economy, post-colonial studies, post-structuralism, proxemics, psychoanalysis, psychology of perception, queer theory, reception theory, russian formalism, semiotics, social history, sociology, structuralism“ ([Walker & Chaplin 1997a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 22). Nicht zuletzt in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Visual Studies zunehmend den Naturwissenschaften öffnen, kann jedoch auch diese Liste nicht erschöpfend sein. – Festzuhalten bleibt, dass sich die Tendenz zur Interdisziplinarität keineswegs einer rein akademischen, beispielsweisen methodischen Motivation verdankt, sondern auch in der Natur des Gegenstandes begründet ist; sie ist „both an outcome of and response to the broader conditions of media convergence (conditions that include technological advancement, global capitalism, and so on“ (vgl. [Cartwright 2002a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 242). Dass von einer Disziplin nur in einem schwachen Sinne und zugleich von einer ausufernden Interdisziplinarität die Rede sein muss, ist die Kehrseite der Dynamik der Visual Studies, ihres politischen und kritischen Impetus'. William James Thomas Mitchell hat diese/n mit leicht ironischen Akzent „Disziplinlosigkeit“ („indiscipline“) genannt.[4] Andes gesagt, es ist für die Visual Studies charakteristisch, die etablierten Disziplinen in Frage zu stellen. Die Visual Studies importieren daher weder einfach ihren zentralen Gegenstand aus einer andern Disziplin, um ihn dann nur etwas anders zu perspektivieren (das Visuelle ist nicht das – lediglich politisch konzeptualisierte – Bild aus der Kunstgeschichte);[5] noch akzeptieren die Visual Studies die Grenzen zwischen den Disziplinen, mit denen beispielsweise bis in die Gegenwart filmtheoretische und fernsehwissenschaftliche Analysen voneinander getrennt worden sind; noch reproduzieren sie automatisch die internen Kategorisierungen, mit denen etwa die Kunstgeschichte zwischen hohen und niedrigen Formen der Kultur unterschieden hat ( vgl. [Jones 2003a]Literaturangabe fehlt. Vorgeschichte/nAuch aufgrund der Vielzahl der beteiligten Disziplinen verfügt das Feld oder die Bewegung der Visual Studies über keine verbindliche und homogene Vorgeschichte. Es lassen sich dennoch mindestens drei Vorgeschichten anführen, die für die Entwicklung der Visual Studies aussagekräftig sind: die Transgressionen der traditionellen Kunstgeschichte, die Geschichte des Begriffs »visual culture« (sic!) sowie auch und vor allem die Cultural Studies. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 3f.). Eine ebenfalls beträchtliche Erweiterung der Forschungsgegenstände findet sich auch in den Arbeiten Erwin Panofskys, der sich schon früh, nämlich in den 1930er Jahren, dem Film widmete und später das Fortleben von palladianischer Tempelfassade einerseits und ungezügelter Romantik andererseits bis zum Kühler des Rolls Royce verfolgte.[6] Anregend für den Kontext der Visual Studies ist darüber hinaus sein folgenreicher Versuch, die oft als Siegeszug einer “natürlichen” Darstellung gefeierte Zentralperspektive der Renaissance auf Konvention und Kultur zurückzuführen und als „symbolische Form“ im Sinne des Neukantianismus zu beschreiben (vgl. [Panofsky 1924a]Panofsky, Erwin (1998). Die Perspektive als symbolische Form (1924). In Erwin Panofsky, Deutschsprachige Aufsätze Bd. 2, 664-757, Erstpublikation in: Vorträge der Bibliothek Warburg (1924/25). Leipzig, 1927, 258-330. Eintrag in Sammlung zeigen). Eine kritische Reflexion auf die Kunstgeschichte findet sich schließlich in den ursprünglich nicht für das Buch, sondern als Fernsehserie für die BBC konzipierten «Ways of Seeing» des marxistischen Kunstkritikers und -theoretikers John Berger. Seine Essays setzen sich gleich mit einer ganzen Reihe von für die Visual Studies einschlägigen Themenfeldern auseinander: mit dem Verhältnis von Sehen und Sprechen, dem Gesehen-Werden als Konstituens für soziale Ordnung und gender-Rollen, den Beziehungen zwischen Sehen und Besitz, der Rolle der medientechnischen Entwicklung insbesondere für die Erweiterung der Funktionsvielfalt von Bildern (⊳ Replika, Faksimile und Kopie) oder auch mit den „publicity images“ der Werbung und ihren Beziehungen zur traditionellen Kunst (vgl. [Berger 1972a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. . Visual Culture Questionnaire. In October, 77, 25-70. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 26). Ebenfalls Fakt – wenngleich weitgehend übersehen – ist, dass der Begriff in Medienwissenschaft und Filmtheorie schon weitaus länger eine Rolle spielt. In Marshall McLuhans «Understanding Media» von 1964 meint er entweder eine Strukturierung ähnlich derjenigen bei Alpers oder (seltener) auch eine vom Visuellen dominierte gesellschaftliche Epoche, wobei in beiden Fällen Medien wie phonetischer Schrift, Buchdruck, Fernsehen usw. ein starker Einfluss eingeräumt wird (vgl. [McLuhan 1964b]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 54, 127ff., u.ö.). Noch früher lässt sich »visuelle Kultur« in der Filmtheorie nachweisen. In «Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films» von 1924 antizipiert Béla Balázs die beiden Verwendungsweisen McLuhans und sieht im (Stumm-)Film eine Stärkung der durch den Buchdruck marginalisierten visuellen Kultur gekommen (vgl. [Balázs 2001b]Balázs, Béla (2001). Der sichtbare Mensch. In Texte zur Theorie des Films, 224-233. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 224ff. und [Liebsch 2007a]Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. : S. 16).[9] Unter die Vorgeschichten der Visual Studies fallen auch die ab den 1950er Jahren entwickelten Cultural Studies. Von diesen übernehmen die Visual Studies neben Interdisziplinarität und “Undiszipliniertheit” auch den facettenreichen Kulturbegriff. Kultur lässt sich demnach erstens nicht mehr erschöpfend als ein normatives Projekt beschreiben, so wie es noch Matthew Arnold konnte, der die Formel prägte: „the best which has been thought and known in the world“ ([Arnold 1869a]Literaturangabe fehlt. Gegenstand, GegenständeEs gibt nicht den einen, klar umgrenzten Gegenstand für dieses interdisziplinäre und undisziplinierte Feld mit seiner facettenreichen Vorgeschichte. Selbst die naheliegende Vermutung, gemäß den Begriffen »visual studies« und »visual culture« könne es sich bei diesem Gegenstand doch nur um das Visuelle handeln, ist mit Vorsicht zu genießen. Was ist das Visuelle? Für das Visuelle hat der Kunsthistoriker Martin Jay die positivistisch angehauchte Definition gegeben, es handele sich dabei um „anything that can imprint itself on the retina“ ([VCQ 1996a] (1996).Visual Culture Questionnaire. In October, 77, 25-70. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 42). Insofern wären die Visual Studies nicht auf das Bild, geschweige denn das künstlerische Bild eingeschränkt, sondern können sich ebenso auf das Fernsehen, die Menschen auf der Straße, das Urlaubspolaroid, den von Lichtverschmutzung bedrohten Nachthimmel, das Videospiel oder die Objekte unterm Mikroskop beziehen. Die Liste ließe sich fast beliebig verlängern – alles was gesehen werden kann, könnte demnach auch Gegenstand der visual studies werden. Narrativizing Visual Culture. Towards a Polycentric Aesthetics. In The Visual Culture Reader, 26-49. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 45). Zweitens muss der Gegenstand der Visual Studies noch nicht einmal selbst sichtbar sein, solange er sich nur auf das Visuelle bezieht, wie der Kunsthistoriker Jonathan Crary zu den sozialen und historischen Bedingungen ausgeführt hat, die regeln, was wir sehen oder zu sehen bekommen; in solchen Fällen handelt es sich bei den Visual Studies um „the study of colorless, nonvisual discursive and systemic formations and their historical mutations“ (vgl. [VCQ 1996a] (1996). Visual Culture Questionnaire. In October, 77, 25-70. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 34). Kurz, die Gegenstände der Visual Studies sind visuell oder hybride oder besitzen lediglich (als Bedingungen) einen einschlägigen Bezug zum Visuellen.
Siehe auch:
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Anmerkungen
[Arnold 1869a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Bal 2003a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Balázs 2001b]: Balázs, Béla (2001). Der sichtbare Mensch. In: v. F. Albersmeier (Hg.): Texte zur Theorie des Films. Stuttgart: Philip Reclam jun., S. 224-233. [Baxandall 1972a]: Baxandall, Michael (1972). Painting and Experience in Fifteenth Century Italy. A Primer in the Social History of Pictorial Style. Oxford: Clarendon Press.
[Berger 1972a]: Verantwortlich: Seitenbearbeitungen durch: Dimitri Liebsch [195], Joerg R.J. Schirra [24], Franziska Kurz [18] und Klaus Sachs-Hombach [3] — (Hinweis) |