Text als Bild, konkrete Poesie
Unterpunkt zu: Schriftbildlichkeit
Theoretischer Hintergrund: Schriftgestalt und Schriftbildlichkeit in literarischen TextenSchriftliche Texte haben immer auch eine „Textgestalt“, und als solche wirken sie immer auch bildlich bzw. schriftbildlich in dem Sinne, dass sie nicht nur linear gelesen, sondern auch auf einen Blick in ihrer Gestalt auf der Fläche angeschaut bzw. erfasst werden. Wolfgang Raible spricht von der „Semiotik der Textgestalt“ und verweist darauf, dass die Zweidimensionalität der Schreibfläche vielfältig für die Strukturierung von Texten genutzt wird: etwa durch Überschriften, Absätze, Einrückungen, Fußnoten und Endnoten (vgl. [Raible 1991a]Literaturangabe fehlt. Text als Bild: Visuelle PoesieIn ganz besonders intensiver, radikaler und zugleich reflektierter Weise wurde und werden die Sichtbarkeit der Schrift und die Gestalthaftigkeit schriftlicher Texte in den unterschiedlichen Formen visueller Poesie genutzt bzw. ausgestellt. Visuelle Poesie ist in diesem Sinne als ein Sammelbegriff für alle Arten von Dichtung zu verstehen, bei denen die visuelle Präsentation eines Textes ein wesentliches Element der künstlerischen Konzeption darstellt, bei der der Schöpfer/die Schöpferin des Textes also die (schrift-)bildlichen Gestaltqualitäten der Schrift bewusst und intensiv nutzt. Im engeren Sinne verbunden wird der Begriff visuelle Poesie meistens mit experimentellen Arbeiten der literarischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts: etwa dem Dadaismus oder dem italienischen und russischen Futurismus in der ersten Jahrhunderthälfte sowie mit der literarischen Strömung der sogenannten „Konkreten Poesie“, die sich insbesondere im deutschsprachigen Raum ab den 1950er Jahren formierte, wie aber auch mit der sowjetischen Samisdat-Literatur. Die „visuelle Poesie“ in diesem (mit der Avantgarde-Literatur verknüpften engeren) Sinne muss wohl als eine spezifisch europäische Gegenbewegung gegen das ansonsten im europäischen Kulturkreis dominierende Lesbarkeits-Paradigma der Schrift, das mit einer „Sichtbarkeitsvergessenheit“ einhergeht, verstanden werden. Diese Sichtbarkeits- und Materialitätsvergessenheit in Bezug auf die Schrift hat es in außereuropäischen Schriftkulturen in dieser Art vermutlich nie gegeben, da hier z.B. die Kalligraphie eine viel größere Wertschätzung genießt. Darüber hinaus ist zu bemerken, dass es Artefakte visueller Poesie auch in Europa bereits seit der Antike gegeben hat. Man denke an antike und barocke Figurengedichte (vgl. [Dencker 2011a]Literaturangabe fehlt. In der visuellen Poesie werden dabei ganz unterschiedliche schriftbildliche Gestaltqualitäten von Texten erzeugt, entweder über die Handschrift, die Schreibmaschinenschrift oder über die Typographie. Eine, aber eben nur eine Möglichkeit unter vielen ist dabei, dass der Text – wie im Fall der gerade erwähnten Figurengedichte – so geschrieben oder gesetzt wird, dass die Gestaltumrisse von raumzeitlichen Gegenständen oder visuellen Symbolen (die in bestimmter Weise mit dem Inhalt des geschriebenen Textes spielerisch korrespondieren) an der Gestalt des Textes selber sichtbar werden Diese Art Texte sind in ihrer buchstäblichen Figürlichkeit dann in derselben Weise als bildhaft-ikonisch aufzufassen wie die figürliche Zeichnung oder die gegenständliche Malerei. Um auch die anderen möglichen visuellen Gestaltungsaspekte von literarischen Texten im allgemeinen – und dann eben in diesem Falle der visuellen Poesie – in den Blick zu bekommen, ist vorgeschlagen worden, begrifflich zwischen dem Gestaltaspekt von Schriften und dem Bildaspekt von Schriften zu differenzieren und von Schriften als Bildern nur dann zu reden, wenn tatsächlich Figuren ikonisch abgebildet werden (vgl. [Polaschegg 2011a]Literaturangabe fehlt. Was sind nun diese anderen – über die Figürlichkeit hinausgehenden – Gestaltungsmöglichkeiten von Texten, die in der visuellen Poesie experimentell und spielerisch genutzt bzw. exemplifiziert werden? Es finden sich Experimente mit der räumlichen Dimension der Schrift, z. B. mit verschiedenen Schriftgrößen oder -farben für Buchstaben oder Wörter, und Experimente mit der räumlichen Positionierung der Buchstaben/Worte auf der Schreibfläche, ihrem konstellativen (Re-)Arrangement auf der Buchseite. Darüber hinaus finden sich Versuche, das Gestische der jeweiligen Schreibhandlung im Geschriebenen als Spur sichtbar zu machen sowie zudem Hybridbildungen aus Schrift und Bild (wie bei den sogenannten „Sprachblättern“ von Carlfriedrich Claus), begrifflich häufig als skripturale Malerei zusammengefasst, bei der die Übergänge zwischen Bild, Ornament und Schrift nicht eindeutig sind und meistens bewusst an der Schnittstelle von Lesbarkeit/Unlesbarkeit operiert wird. Dabei wird beim Leser/Betrachter ein Spiel von Semantisierung / Desemantisierung / Resemantisierung in Gang gesetzt. Für die Arbeiten der russischen Avantgarde der 1910er und 20er Jahre hat Georg Witte eine Typologie schriftbildlicher Verfahren entwickelt (vgl. [Witte 2005a]Literaturangabe fehlt. Konkrete PoesieDie „Konkrete Poesie“ ist eine künstlerische Strömung ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die sich im Anschluss an den Begriff bzw. die Bewegung der „Konkreten Kunst“, vertreten vor allem durch den Schweizer Max Bill, seit den 1950er Jahren den materialen Basiselementen der Poesie in ihren einerseits visuellen und andererseits akustischen Darstellungsmedien zuwendet. Wichtige deutschsprachige Vertreter sind Eugen Gomringer, Franz Mon, Helmut Heißenbüttel, Hansjörg Mayer, Max Bense und Claus Bremer, international ist der Schwede Öyvind Fahlström zu nennen, der 1953 ein „Manifest für konkrete Poesie“ verfasste und damit auch den Namen prägte, die brasilianische Gruppe Noigandres sowie die Wiener Gruppe um H.C. Artmann. Die Aufmerksamkeit dieser Autoren gilt den einzelnen Buchstaben, Satzzeichen und Wörtern im Geschriebenen und den Lauten, (bzw. auch dem Klang der Stimme) im Gesprochenen. Im Visuellen soll dabei die experimentelle graphische Anordnung der Wörter, Buchstaben und/oder Sätze neue „Konstellationen“ und damit auch neue – makrotypographische – Bedeutungsdimensionen eröffnen. Mit dem Begriff der Konstellation greift Gomringer in seiner programmatischen Schrift „vom vers zur konstellation“ (1955 erstmals publiziert, im Folgenden zitiert nach [Gomringer 1997a]Literaturangabe fehlt. Ein weiteres Kennzeichen der ansonsten als künstlerische Strömung durchaus heterogenen Konkreten Poesie ist die akustische Dimension ihrer Wortkunst: So werden die visuellen Konstellationen von einigen Autoren, etwa von Ernst Jandl, intoniert, wodurch allein durch die Prosodie eine Art Dialog (vgl. [Dencker 2011a]Literaturangabe fehlt. Visuelle Poesie im ComputerzeitalterKinetische Poesie in vielfältiger Form beweglicher, veränderlicher Buchstaben- oder Wortfolgen findet sich nicht erst, seit es Computer gibt. Beispiele dafür sind filmische Realisationen, (Neon)Lichtinstallationen, Laufschriften und Projektionen (vgl. [Dencker 2011a]Literaturangabe fehlt. Vertreter Visueller Poesie
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Anmerkungen
[Cramer 2011a]:
Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Dencker 2011a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Drucker 1996a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Giertler 2011a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Gomringer 1997a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Polaschegg 2011a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Raible 1991a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Strätling & Witte 2006a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Witte 2005a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. [Witte 2011a]: Literaturangabe fehlt. Bitte in der Bibliographie-Sammlung einfügen als: - Buch, - Artikel in Zeitschrift, - Beitrag in Sammelband, - Sammelband, - andere Publikation, - Glossarlemma. Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [27], Elisabeth Birk [21], Rainer Totzke [10] und Christoph Martin [8] — (Hinweis) |