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Version vom 4. Januar 2014, 13:17 Uhr
Unterpunkt zu: Bildsemantik
Zeichen, Zeichenbedeutung und ZeichenreferenzDen meisten Zeichenmodellen ist eine Unterscheidung zwischen Zeichen, Zeichenbedeutung und Zeichenreferenz gemeinsam, obschon diese drei Größen in den verschiedenen Modellen sehr unterschiedliche Benennungen erfahren haben (⊳ Bedeutung und Referenz). Relativ grob charakterisiert geht es hierbei (1) um den als Zeichenträger verstandenen physischen Gegenstand, (2) um die dem Gegenstand zugeschriebene Bedeutung, durch die der Zeichenträger überhaupt erst zum Zeichen wird, und (3) um den Gegenstand bzw. die Gegenstandsklasse, auf den bzw. auf die mit dem Zeichen anhand der Zeichenbedeutung referiert wird. Diese Dreiteilung, die sich prominent mit den Benennung ‘Zeichen’, ‘Sinn’ und ‘Bedeutung’ bei Frege findet (vgl. [Frege 1892a]Frege, Gottlob (1892).Über Sinn und Bedeutung. In Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, 100, 25-50. Eintrag in Sammlung zeigen), lässt sich auch für Bilder fruchtbar machen, bei denen entsprechend zwischen Bildträger, Bildbedeutung bzw. Bildinhalt und Bildreferenz unterschieden werden kann. In der englischsprachigen Literatur hat sich für die Bedeutungsebene des Bildes der Ausdruck ‘content’ eingebürgert (vgl. etwa [Lopes 1996a]Lopes, Dominic (1996). Understanding Pictures. Oxford: Claredon Press. Eintrag in Sammlung zeigen), an den sich der deutsche Ausdruck ‘Inhalt’ anlehnt.
Was man im Bild siehtAls Bildinhalt sollte derjenige Bedeutungsaspekt bei Bildern angesehen werden, der sich unmittelbar mit der intrinsischen Struktur des Bildes verbindet. Auf die Sprachebene bezogen ist er der lexikalischen Bedeutung vergleichbar und von der symbolischen (⊳ Visuelle und multimodale Metaphern) wie auch von der kommunikativen Bedeutung (⊳ Illokution) zu unterscheiden. Der Bildinhalt ist nach Richard Wollheim dasjenige, was jemand im Bild sieht. Er verdankt sich spezifischer Wahrnehmungsmechanismen. Ob diese im Sinne von Ähnlichkeitsstandards erläutert werden können, ist eine der viel diskutierten, bisher nicht entschiedenen Fragen (vgl. [Scholz 2004a]Scholz, Oliver R. (2004).Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt/M.: Klostermann. Eintrag in Sammlung zeigen; ⊳ Ähnlichkeit und wahrnehmungsnahe Zeichen). Da der Inhalt eines Bildes sich immer nur in der Relation zum Betrachter einstellt, liegt er nicht objektiv fest. Bilder sind aus diesem Grunde prinzipiell vieldeutig. Gleichwohl sollten bei Bilder zur Bestimmung des Bildinhalts Adäquatheitsbedingungen angenommen werden. Betrachten wir als Beispiel das in der Gestaltpsychologie oft beschriebene Phänomen des Kippbildes, bei dem Figur und Hintergrund vertauscht werden können. Jemand sieht in einem Bild einen Kelch. Ein zweiter sieht in dem Bild zwei Gesichter im Profil. Vermutlich werden sie sich sehr schnell einigen, dass beide Interpretationen korrekte Interpretationen sind, sofern sie auf die wesentlichen Entsprechungen hinweisen (d.h. Teile des Bildes herausgreifen) und darlegen können, dass ein bestimmter Linienabschnitt nasenförmig ist (den Begriff der Nase veranschaulicht) oder (in diesem Fall zugleich) einen Teil der Kontur eines Kelches darstellt. Sieht ein Dritter in dem Bild einen Elefanten, so ist dies nur dann als korrekte Interpretation zu werten, wenn er ebenfalls auf relevante Entsprechungen hinweisen kann. Die Tatsache, dass wir Unterschiedliches in einem Bild sehen können, ergibt sich der Ähnlichkeitstheorie zufolge daraus, dass verschiedene Dinge unter entsprechenden Perspektiven identische Wahrnehmungen erzeugen. Obschon dies der Regelfall ist, wird uns die Vieldeutigkeit des Bildinhaltes oft nicht bewusst, weil die Kontextbedingungen eine bestimmte Interpretation als besonders relevant auszeichnen. Sie spezifizieren den Inhalt eines Bildes innerhalb einer bestimmten Interpretationsumgebung. Es lassen sich hierzu wenigstens drei Fälle unterscheiden. Der Bildinhalt wird durch Kotext, Kontext und Typikalität beeinflusst. Unter ‘Kotext’ ist die Summe der Elemente gemeint, die sich innerhalb der Bildfläche (bei Filmen auch zwischen verschiedenen Bildern) ausmachen lassen und die etwa durch einen Rahmen begrenzt werden. Einen Linienabschnitt als nasenförmig einzustufen ergibt sich demnach aus dem Zusammenhang, in den er eingebettet ist. Entsprechend kann ein und dasselbe Bildelement in unterschiedlichen Zusammenhängen nach dem Prinzip der Nähe als Unterschiedliches gesehen werden. Bildwahrnehmung ist daher wesentlich Gestaltwahrnehmung. Der Kotext ließe sich in verschiedene Ebenen gliedern. Die Organisation der Formelemente nach Gestaltgesetzen ist hierbei sehr grundsätzlich, interpretationseinschränkend wirkt aber auch die Einordnung der Gestalten in das Bildganze, das etwa als Landschaftsdarstellung erkannt wird. Hier scheinen dem hermeneutischen Zirkel analoge Prozesse abzulaufen, in denen sich der Gesamtzusammenhang und die einzelnen Elemente gegenseitig bestimmen (⊳ Bildhermeneutik). In ähnlicher Weise schränkt der Bildkontext die Interpretationsmöglichkeiten ein. ‘Kontext’ ist hier im engeren Sinne zu verstehen. Er enthält alle relevanten Aspekte der physischen Bildumgebung. Insbesondere formreduzierte Darstellungen können in verschiedenen Umgebungen unterschiedlich wahrgenommen werden. Das Piktogramm eines Lautsprechers ließe sich beispielsweise in einem Hutgeschäft als Darstellung von Strohhüten interpretieren, wenn es um 90° gedreht würde. Auch der Bildkontext liefert demnach einen Interpretationshorizont, der es ermöglich, den Inhalt eines Bildes in unterschiedlicher Weise zu bestimmen. Auf Grund dominanter Kontextbedingungen geraten die meisten möglichen Interpretationen in der Regel aber gar nicht erst in den Blick. Vom Bild zum Sinn. Das ikonische Zeichen zwischen strukturalistischer Semiotik und analytischer Philosophie. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag. Eintrag in Sammlung zeigen: S. 96). Insofern wird der Bildinhalt zwar entscheidend durch Wahrnehmungsmechanismen bestimmt, diese unterliegen aber durchaus kulturellen Prägungen. Siehe auch:
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Inhaltsverzeichnis
Anmerkungen
[Blanke 2003a]: Blanke, Börries (2003). Vom Bild zum Sinn. Das ikonische Zeichen zwischen strukturalistischer Semiotik und analytischer Philosophie. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag.
[Frege 1892a]: Frege, Gottlob (1892). Über Sinn und Bedeutung. Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Band: 100, S. 25-50. [Lopes 1996a]: Lopes, Dominic (1996). Understanding Pictures. Oxford: Claredon Press. [Scholz 2004a]: Scholz, Oliver R. (2004). Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellungen. Frankfurt/M.: Klostermann. Ausgabe 1: 2013 Verantwortlich: Lektorat: Seitenbearbeitungen durch: Joerg R.J. Schirra [21] und Stefan Kahl [4] — (Hinweis) |